Handwerk als Berufung

Ein Gespräch mit Schneidermeisterin Johanna Scherz über ihre Berufung und die jährliche Trachtenbörse im Brandlhof in Radlbrunn.

Wenn Haus und Hof gelüftet, die Garderobe im Schrank reduziert und die Laune auf Second-Hand-Dirndl groß ist, ist die hochsommerliche Trachtenbörse im Brandlhof und im Kulturpavillon maßgeschneidert.

Ab 8.00 Uhr morgens wird gestöbert, gestaunt, probiert, gefeilscht, verglichen und gekauft, dass es eine Freude ist. Bei guter Musik und gutem Wein werden die neuen Lieblingsstücke gegenseitig bewundert, während Expertinnen Tricks zeigen, wie das Bügeln einer Dirndlbluse mit einem Ärmelholz leichter gelingt.

Auch heuer wieder mit dabei: Schneidermeisterin Johanna Scherz, die mit der Volkskultur Niederösterreich über ihr Handwerk und die nahende Trachtenbörse gesprochen hat:

-Wie kann man den Begriff der Schneidermeisterin in einem Satz zusammenfassen?

JS: Mit Liebe und Leidenschaft! Jedes Detail wird per Hand oder mit der Nähmaschine gefertigt und das Kleidungsstück auf das Maß der Kundin oder des Kunden gefertigt.

-Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?

JS: Dass man aus einem einfachen Stück Stoff ein Kunstwerk beziehungsweise ein einzigartiges Kleidungsstück schaffen kann. Wir Menschen sind nicht nur vom Wesen her unterschiedlich, auch der Körperbau ist bei jedem anders und meistens asymmetrisch.

Auf diese Feinheiten einzugehen, ergibt neben dem persönlichen Entwurf das Unikat. Bei mir werden keine Massen an gleichen Kleidungsstücken geschneidert. Wenn ein Kleidungsstück fertig ist, könnte ich es einfach „stundenlang“ ansehen, es steckt immer „Liebe und Herzblut“ drin.

-Welchen Rat kannst du jungen Menschen mitgeben, die nicht wissen, welchen Beruf sie ergreifen sollen?

JS: Das ist eine gute Frage! In der heutigen Zeit gibt es so viele verschiedene Berufe und manche traditionellen Berufe sind vom Aussterben bedroht. Für mich ist mein Handwerk mehr als ein Beruf. Es ist meine Leidenschaft und ich sehe mich darin. Und es ist mir wichtig, dass dieses besondere Handwerk der Schneiderei nicht ausstirbt.

-Welche Herausforderung hat der Beruf?

JS: Der Preis eines Kleidungstücks ist immer eine Ansichts- und sollte keine Verhandlungssache sein. Es gibt die Menschen, die schätzen das Handwerk und zahlen den erforderlichen Preis. Andere wiederum – bedingt durch die Industrialisierung und Globalisierung – haben keinen Bezug dazu und möchten nicht so viel Geld für Kleidung ausgeben. ABER: Mit der richtigen Pflege und Handhabung hat man an einem Maßkleidungsstück sehr lange Freude – manchmal ein Leben lang. Im Gegensatz zum Fast Fashion Trend. Teilweise ist es schwierig geworden, Stoffe und Zubehör regional zu kaufen. Ich unterstütze nach wie vor Produkte, welche in Österreich erzeugt werden.

-Was sind die schönen Seiten an deiner Arbeit?

JS: Wenn ich von den Kundinnen und Kunden höre, dass sie sich in ihrem maßgeschneiderten Kleidungsstück wohlfühlen und es am liebsten gar nicht mehr ausziehen möchten.

-Was macht ein Dirndl so besonders?

JS: Für mich persönlich ist man mit einem Dirndl immer richtig angezogen. Ich denke, egal zu welchem Anlass: Hochzeit, Vernissage oder zum Abendessen. Wenn das Dirndl perfekt sitzt und es der Person farblich passt, schmeichelt es der Trägerin und betont ihre Vorzüge.

-Welche Dirndl empfiehlst du einem Dirndlneuling?

In Niederösterreich gibt es verschiedene regionale Festtags- und Alltagstrachten, aber es gibt auch einfache Waschdirndl oder Designerdirndl. Erlaubt ist, was gefällt und am besten trägt man das, worin man sich wohlfühlt.

-Welchen Schnitt bevorzugst du persönlich?

JS: Ich arbeite am liebsten mit klassischen, einfachen Schnitten. Sehr oft haben meine Kundinnen und Kunden aber genaue Vorstellungen, zum Beispiel ob Rundnähte oder nur Abnäher. Verzierungen werden beim Erstgespräch festgelegt, manchmal aber wieder abgeändert.

-Bald findet wieder die beliebte Trachtenbörse im Brandlhof in Radlbrunn wieder statt. Was ist das Besondere an einem Markt im Brandlhof?

JS: Mich faszinierte der Markt von Anfang an. Er hat für mich eine angenehme, einladende Wirkung. Das liegt wohl am bäuerlichen Baustil, an der Atmosphäre des Innenhofs und des Kulturpavillons und an dem Rahmenprogramm mit Musik und Kulinarik.

Wenn Sie sich selbst davon überzeugen möchten, kommen Sie am 27. Juli zur Trachtenbörse in den Brandlhof in Radlbrunn.