Sänger- und Musikanten-Wallfahrten

Die „Sänger- und Musikantenwallfahrt“ nach Mülln (Stadt Salzburg) taugt zum role model. „Die Pinzgauer wollten kirchfahrten gehen, widi wadi weh, eleison / Sie wollten gern recht singa, aber kunnten’s nit gar schön, widi wadi weh, eleison …“. Ob die Wallfahrer das in Salzburg und im bayerischen Raum verbreitete Spottlied wirklich verdient haben? Jedenfalls war es wohl niemandem zu verargen, wenn der Gesang mit der Zahl der „gehatschten“ Kilometer an Leidenschaft und Präzision abgenommen hat. Dass das Singen gleich in der ersten Strophe vorkommt, zeigt jedenfalls den Stellenwert der Musik bei einer solchen Unternehmung. Hier fehlt natürlich wie in keinem anderen Scherzlied über Wallfahrer, worauf die Sache letztlich hinausläuft: „Die Pinzgauer gengan aus’n Dom heraus / sie lafn glei eini ins nächste Wirtshaus!“ Heutige Salzburger Volksmusikanten starten auf ihrer Wallfahrt nicht im Pinzgau, sondern im Salzburger Nonntal, also auf der Hinterseite des Festungsbergs. Und sie landen nach ihrer Wallfahrt unweigerlich im Müllner Bräustübl, das manche scherzhaft „Maria Krügerl“ nennen. So richtig aufmerksam auf das Wallfahrten wird man in Salzburg aber immer im Mai, wenn das Salzburger Volksmusikwerk zur „Sänger- und Musikantenwallfahrt“ lädt.

Junge Traditionen

Über drei Jahrzehnte lang hatte sich der ehemalige Krimpelstätter-Wirt Günther Essl um eine Wiederbelebung der alten Wallfahrt bemüht. 2013 haben er, der auch immer auch ein offenes Ohr für die Volksmusik hatte, und der Müllner Pfarrer, Pater Franz Lauterbacher aus dem Kloster Michaelbeuern, die erste Wallfahrt auf den Weg gebracht. Im Jahr 2016 mutierte sie zur „Sänger- und Musikantenwallfahrt“ und wird jetzt vom Salzburger Volksliedwerk ausgerichtet. Die Teilnehmerliste „liest sich wie das Programm eines Volksmusikabends der besonderen Art“, sagt Elisabeth Radauer vom Salzburger Volksliedwerk. An elf Stationen entlang des Wegs wird gesungen und gespielt, am Ende steht eine Maiandacht in der Müllner Kirche. Und danach geht es im Bräustübl weiter mit dem gemeinsamen Musizieren.

Erbauung und Vergnügen

Eine klingende Wallfahrt, die zum „role model“ taugt. Man hat da, volkskundlich betrachtet, vieles beisammen, was einen tragfähigen Brauch ausmacht: Bräuche fallen ja nicht vom Himmel, sie werden irgendwann eingeführt und setzen sich, wenn sie eine Grundstimmung treffen, durch. Dazu gehört vor allem, dass die Brauch-Träger von der Sinnhaftigkeit des Unternehmens überzeugt sind und draus ein starkes Gemeinschaftsgefühl beziehen. Beides ist bei einer Musikantenwallfahrt natürlich gegeben. Und, nicht unwichtig: ein Brauch muss den Teilnehmern auch Vergnügen bereiten. Geistliche Erbauung und Freude am Musizieren greifen da Hand in Hand. Musikanten-Wallfahrten sind durchwegs jüngsten Datums, und es gibt viel weniger davon, als man eigentlich erwartet. Eine gewisse Breitenwirkung hat die Volksmusikanten-Wallfahrt auf den Sonntagsberg in Niederösterreich, die vom Netzwerk der Mostviertler Volksmusikanten veranstaltet wird. Der Verein „Freiensteiner Volkskultur“ steht hinter einer ähnlichen Initiative in der Steiermark. Deren Volksmusikanten-Wallfahrt führt in die Marien-Wallfahrtskirche von St. Peter Freienstein (in der Nähe von Leoben).

Die am größten dimensionierte einschlägige Veranstaltung ist die 1977 erstmals abgehaltene „Mariazeller Sänger- und Musikantenwallfahrt“. Da war am Beginn der legendäre bayerische Volksmusikant Wastl Fanderl mit von der Partie. Die bekannten steirischen Musikanten-Familien Martschin und Härtel wirkten über die Jahre als verdienstvolle Mulitiplikatoren. Das volksmusikalische Großereignis wird alle vier Jahre ausgerichtet (zuletzt 2022). Drei Tage lang ist da alles in Mariazell, was in der österreichischen Volksmusik Rang und Namen hat. Aus allen Bundesländern kommen Teilnehmer und immer wieder auch ausländische Musikgruppen. Es gibt ein Symposion, abends wird in mehreren Wirtshäusern musiziert. „Es fühlt sich trotzdem nicht nach Massen-Event an“, sagt die Salzburgerin Elisabeth Radauer, die zuetzt natürlich auch dabei war.

Der „Mariazeller Sänger- und Musikantenwallfahrt“ ist auch zu verdanken, dass es ein einschlägiges Liederbuch im Pocketformat gibt. „Lieder zur Wallfahrt – Gehen, beten, singen…“ wurde 2002 vom Steirischen Volksliedwerk herausgegeben. Die 93 Lieder sind durchgehend zweistimmig gesetzt und thematisch gegliedert. Logischerweise liegt der Schwerpunkt auf Marienliedern.

(Reinhard Kriechbaum, Erstveröffentlichung in voller Länge in Singende Kirche 70/1 (2023), 27-29.)