Viel Lärm mit Holz

Viel Lärm mit Holz

Einem ortsunkundigen Touristen kann es in vielen Orten Österreichs passieren, dass er am Karfreitag oder Karsamstag in aller Früh von einem unheimlichen „Ratschen“ aus dem Schlaf gerissen wird. Aber warum „ratscht“ es in Österreich immer dann, wenn die Kirchenglocken schweigen?

„Die Glocken fliegen nach Rom“ heißt es im Volksmund, Glocken und Orgelspiel verstummen in jener Zeit zwischen dem Gloria beim letzten Abendmahl am Gründonnerstag und dem Gloria bei der Auferstehungsfeier in der Osternacht. In den Dörfern und Städten treten nun die Ministranten mit den Ratschen in Aktion. Denn statt der Kirchenglocken, die dem Alltag am Lande in früherer Zeit auch Struktur gaben, gingen die Kinder mit den Ratschen und riefen früh, mittags und abends zum Gebet. In Herrenbaumgarten im Weinviertel klang dies dann so: „Mir ratschen, mir ratschen den Englischen Gruiß, den a niader Christ beten muiß. Fallts niader, fallts niader auf engere Knia und bets oan Vaterunser und drei Avemarie“. Für die Mühe des Ratschengehens werden die Kinder am Ende der Kartage auch belohnt. Waren dies in früheren Zeiten Eier und Gebildgebäck, so bekommen sie heutzutage Ostereier, Süßigkeiten und Geld zugesteckt.

Aber wie kommt man überhaupt zu einer eigenen Ratsche?

Ernst Ribisch, Ratschenbauer

Die Schubkarrenratschen kommen aus einer Werkstatt in der Kellergasse des „verruckten Dorfs“. Ernst Ribisch baut sie mit viel Gefühl und Liebe zur Handarbeit. Für seine Ratschen verwendet er das Holz einer Eiche und Esche. Es soll ein hartes Holz sein, denn die Ratschen sollen nicht nur den üblichen Gebrauch aushalten, sondern auch den einen oder anderen Temperamentsausbrauch seiner jungen Nutzer. Für den Kasten und die Schallbrettchen, auch Flaudern genannt, der Schubkarrenratsche verwendet er Eichenholz, die Zahnradwalze oder Riffel wird aus Eschenholz gefertigt, das Ernst Ribisch schon einmal zehn Jahre lagern ließ, damit es auch komplett trocken, hart und widerstandsfähig ist.
Nach dem Muster einer über 50 Jahre alten Schubkarrenratsche fertigt er die Einzelteile. Um der Ratsche Stabilität zu geben, werden die Querhölzer mittels einer Schlitz-Zapfenverbindung in die Seitenteile der Ratsche eingepasst. Ernst Ribisch baut seine Ratschen immer mit zwei Rädern, zwischen die die Riffel gesetzt wird. Mit viel Gefühl werden nun Flaudern und Riffel aufeinander abgestimmt, die Schubkarrenratsche soll einerseits leicht zu schieben sein und andererseits soll sie viel Lärm erzeugen. Zwei Arbeitstage braucht es, bis das Werkstück fertig ist.

Zum Ratschenbau kam Ernst Ribisch eigentlich durch seine eigene Kindheit. Als Ministrant ging er selbst mit einer Ratsche, die er als nicht gut gearbeitet empfand. Als gelernter Maurer suchte er im Erwachsenenalter ein Hobby für die Wintermonate und begann zu drechseln, am Beginn kleine Gebrauchsgegenstände, Kinderspielzeug. Auch Ratschen wurden ihm zum Reparieren vorbeigebracht. Mittlerweile ist er ein bekannter Ratschenbauer und nicht nur die Kinder von Herrnbaumgarten gehen mit seinen Schubkarrenratschen.

Ursprünglich erschienen in Schaufenster.Kultur.Region (März/April 2018)

Ernst Ribisch, seine Ratschen und viele ander Handwerker:innen sowie ihre Produkte konnten die Gäste der Volkskultur Niederösterreich am Palmsonntag im Brandlhof selbst erleben und bewundern. Dazu gab es regionale Spezialitäten und beschwingte Musik von den Radlbrunner Blechbläsern und dem Ensemble müströki.