Mut zum Hut

Mut zum Hut

Katharina Lehrkinder erhält den traditionellen Beruf der Modistin am Leben. Bei der Handwerkswoche „Von Farben und Fäden“ von Sonntag, 21. bis Samstag, 27. Juli in der Landwirtschaftlichen Fachschule Edelhof in Zwettl wird sie den Besucherinnen und Besuchern ein Handwerk näherbringen, das heute fast vergessen scheint, bis in die späten 1960er-Jahre aber weltweit gefragt war: die Hutmacherei.

(c) Katharina Lehrkinder

Die erste Darstellung eines Huts ist 15.000 Jahre alt und stammt aus einer Höhle in Frankreich. Damals hatte die Kopfbedeckung vor allem eine Schutzfunktion vor Kälte oder Gefahr. Mit dem Aufkommen der ersten Religionen kam eine spirituelle Bedeutung hinzu, die das Funktionsspektrum erweiterte. Eine der bekanntesten Darstellungen eines antiken Kopfschmucks zeigt die Totenmaske des ägyptischen Pharaos Tutanchamun, im antiken Griechenland gab es Kappen aus Filz oder Leder namens „Petasos“, sozusagen der Vorläufer breitkrempiger Hüte. Im Mittelalter wurde die Unterscheidung der verschiedenen Gesellschaftsschichten anhand der Kopfbedeckung deutlich. Der Adel und die reiche Oberschicht trug raffiniert geformte Exemplare aus edlen Stoffen wie beispielsweise Samt verziert mit Blumen und Bändern. Mit der Möglichkeit, ihn aufwändig zu verzieren, wurde der Hut zum Statussymbol, der der Macht seines Trägers Ausdruck verlieh. Im 18. Jahrhundert kam schließlich der Dreispitz in Mode, der bis dahin nur von Soldaten getragen wurde. Das 19. Jahrhundert sollte zum Goldenen Zeitalter des Hutes werden. Steife Hauben, die sogenannten Schuten, wurden bevorzugt, genauso wie breitkrempige Hutformen.

Um 1900 verließ niemand das Haus ohne Hut auf dem Kopf. Es entstanden immer neue Modelle, von denen einige auch heute noch getragen werden. Der Hut als Kopfbedeckung war früher auch hierzulande nicht wegzudenken, verschwand aber in den 1950er-Jahren immer mehr aus dem Alltag. Als das eigene Auto Mitte der 1960er-Jahre immer mehr zur Selbstverständlichkeit wurde, geriet der Hut als nötige Kopfbedeckung für lange Fußwege in den Hintergrund. Als weiteren Faktor kann man wohl auch die zu Beginn der 1970er-Jahre hierzulande einsetzende „Flower Power“-Bewegung nennen, denn Mitglieder der Hippiebewegung sahen den Hut als Symbol ihrer Eltern- und Großelterngeneration, von der es sich zu distanzieren galt.

Die Wiederentdeckung eines Klassikers

Dass der Hut gerade als Mode-Accessoire eine Renaissance erfährt, liegt an Handwerkerinnen und Handwerkern wie der jungen Modistin Katharina Lehrkinder, die das Handwerk in ihrem kleinen Atelier in Baden nach alten Methoden wiederbelebt. „Der Beruf der Modistin ist ganzheitlich, von der Idee, wie der Hut aussehen soll, über die Materialien, bis er dann in einem Stück vor mir liegt“, so Lehrkinder. Inspiration findet sie dabei überall in ihrem Umfeld, egal ob sie im Museum oder im Park eine Farbenkombination anspricht: Katharina Lehrkinder kombiniert moderne Akzente in traditioneller Hutmode. „Ich stütze mich dabei wenig bis gar nicht auf klassische Modezeitschriften, sondern bekomme meine Anregungen von überall anders her, aus dem Leben.  Was man am Laufsteg und in den Zeitschriften sieht, ist ja schon fertig, und das Spannende ist ja der Prozess, etwas Neues zu schaffen.“

(c) Katharina Lehrkinder

Aber wo kann man einen fast vergessenen Beruf wie den der Modistin heute noch erlernen?

Im Fall von Katharina Lehrkinder lautet die Antwort „An der Modeschule Hetzendorf. Ich wusste zunächst noch nicht, dass es die Hutmacherei werden würde…“, so Lehrkinder. „Zu Beginn gab es fünf Fachrichtungen, unter denen man wählen konnte, Damenschneiderei, Leder, Textildruck, Strick- und Wirkwaren und eben das Hutmachen. Als ich dann zum ersten Mal in der Modisten-Werkstatt stand, war das Liebe auf den ersten Blick. Mit welcher Vielfalt an Materialien die dort arbeiten können, was sie lernen mit verschiedenen Techniken – da hab´ ich gewusst, das ist es!“ Heute sind es junge Menschen wie sie, die in ihrem Geschäft eine ähnliche Faszination für traditionelles Handwerk entdecken. Die Verbindung aus Praxis und Mode fasziniert dabei besonders junge Menschen, und tatsächlich hat ein imprägnierter Regenhut gegenüber Schirmen den Vorteil, dass man die Hand fürs Smartphone frei hat, lacht Lehrkinder.

Wie entsteht ein Hut?

Stroh für den Sommer, Filz für den Winter. Nicht Meterware wie flacher Filz, den man kennt, sondern ein spezieller, der schon eine Glockenform hat, ist es. „Das ist dann der sogenannte Stumpen“, erklärt Lehrkinder. „Der ist gar nicht mehr so leicht zu bekommen, es gibt nicht mehr viele Firmen, die so etwas herstellen.“ So wie es leider auch nicht viele Tischlerinnen und Tischler gibt, die für die Hutherstellung nötige Formen herstellen können.

Früher war der Formenbauer ein eigener Beruf, den heute nur noch die wenigsten beherrschen. Eine Hutform muss aus einem Stück Holz bestehen und darf auch nicht zu hart sein. Katharina Lehrkinder hat zum Glück noch Kontakt zu einer Tischlerin, die das Handwerk beherrscht, und verfügt über klassische Hutformen in diversen Größen und Varianten. Wenn das Material erst mit Hitze und Feuchtigkeit formbar gemacht wurde, dann kommt es über die Holzformen. Diese müssen aus einem speziellen Holz gefertigt sein, sodass die Stoffe mit Nadeln darüber fixiert werden können. Dann wird der Stoff zum Trocknen stehen gelassen und das Material nimmt die klassische Form an. Hier gibt es simple Formen aber auch kompliziertere Varianten mit Hut und Krempe in einem, oder raffiniertere Versionen, bei denen Hut und Krempe extra auf die Form gespannt, dann zurechtgeschnitten und mit Schweißband und Außengarnitur zusammengenäht werden.

(c) Katharina Lehrkinder

 

Moderne ermöglicht Vergangenheit

Es gibt aber auch einige historische Hutvarianten, für die praktisch keine Holzformen mehr aufzutreiben sind. Zum Beispiel die Biedermeier-Zylinder, die unten dünner als oben sind, verlangen eine fünf-teilige Form. Wie also diese historischen Formen erhalten, wenn es nicht möglich ist, alle Formen zu bekommen, und es nicht mehr so viele Formenbauer wie früher gibt?

Hier fand Katharina Lehrkinder einen originellen Weg, in dem sie eine Technik, die gerade einmal ein paar Jahre alt ist, nutzt, um historische Hutformen zu rekonstruieren. Ihr Mann, der Kunststofftechniker ist und hauptberuflich Kindersitze konstruiert, brachte sie auf die Idee, 3D-Formen zu entwickeln. „Ein Tischler hat ein Stück Holz und modelliert daraus“, so Lehrkinder. „Wir haben dasselbe am Computer versucht, also digital über geometrische Formen. Erst haben wir mit einfachen Strukturen begonnen, aber mittlerweile können wir am 3D-Drucker historische Hutformen herstellen, die aus Holz nicht mehr zu finden sind.“ Somit ermöglicht es moderne Technik, ein Handwerk aus der Vergangenheit zu erhalten.

Von Farben und Fäden

(c) Katharina Lehrkinder

Wenn Sie jetzt Lust bekommen haben, diese traditionellen Techniken von Katharina Lehrkinder zu erlernen, können Sie sich hier zur Handwerkswoche „Von Farben und Fäden“ der Volkskultur Niederösterreich in Edelhof im Waldviertel anmelden. Unter der Leitung von Daniela Heinzl und Grete Hammel vermitteln fachkundige Referentinnen und Referenten in 18 verschiedenen Kursen alte und neue Handwerks- und Handarbeitstechniken in traditioneller und doch zeitgemäßer Ausführung. Neben den Wochenkursen werden auch Tageskurse angeboten.

In einem Mehrtageskurs von Montag, 22. Juli bis Mittwoch, 24. Juli lehrt Katharina Lehrkinder die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Herstellung eines Sommerhuts aus Strohgeflecht mit Garnitur.

Eine professionelle Kinderbetreuung im Ambiente der Landwirtschaftlichen Fachschule Edelhof ermöglicht es auch Familien, eine gemeinsame Kurswoche zu verbringen.

Informieren Sie sich hier über die Vortragenden und das bunte Angebot an Kursen.