(Bild: Ausschnitt von Friedrich Gauermann, Mittagsrast auf der Weide, Öl auf Leinwand, 1825, NÖLM, St. Pölten)

„Fåhr ma´s auffi auf die Ålm“, so beginnt eines von unzähligen Liedern, die von der Alm erzählen. Zeitlich begrenzt, vom späten Frühjahr Ende Mai/Anfang Juni bis in den Herbst, Mitte September werden die Almen bewirtschaftet. Die Liedtexte erzählen vom „Ålmafåhrn“, vom „Leben auf der Ålm“ und vom „Åbfåhrn/Ålmåtrieb“.

Die meisten Lieder besingen die schönen, romantischen und lustvollen Seiten. Denn „auf der Ålm, då gibt’s koa Sünd´“ lautet ein allgemein bekanntes Sprichwort, wahrscheinlich abgeleitet von der Tatsache, dass das private Leben oben auf der Alm gewiss nicht so kontrolliert war wie jenes unten im Tal.
Alles dreht sich um die Sennerin. Von ihr war und ist eigenverantwortliches Arbeiten und Handeln verlangt. Damit einher geht eine gewisse Freiheit, ganz im Gegensatz zum hierarchischen System am Hof.
Heute hat sich die wirtschaftliche Nutzung gewandelt und bewirtschaftete Almhütten sind vor allem in Österreich und im Speziellen in Niederösterreich wichtiger Tourismusfaktor. Vor 50 Jahren noch war die sommerliche Viehhaltung – Kühe, Kälber, Schafe und Ziegen – wichtiger Faktor in der Landwirtschaft.
Abgeschieden vom Ortsleben wurde der Sennerin (Schwoagarin) und ggf. den Hiatabuam harte Arbeit abverlangt. Denn die Arbeit musste händisch geleistet werden: Melken, Füttern und Pflegen, Buttern und Käsen, Instandhaltungsarbeiten, Mähen, weite, mitunter steile Wegstrecken beim Hüten Zurücklegen usw.
Die einzelnen Tätigkeiten werden zwar besungen, jedoch ohne Details, so dass die Idylle dominieren kann. Ein in Niederösterreich überliefertes Loblied auf die Sennerin „I bin´s a Sennerin“ hat das Hamot Trio – Herta und Martha Aigner, sowie Anton Sauprügel – gerne gesungen:

1. I bin´s a Sennerin, so voller Freud´ und Leb´n,
drobn auf der hohen Ålm håb i´s mein Aufenthålt,
dås Hittal is so kloan, drinn bin i ganz alloan,
ei da hebt si frisch mei Brust und sing voll Lust. Jodler drauf.
2. Unta da Felsnwånd, schneid is mei Fuatta z´såmm,
i bind´s glei in a Tuach und trågs da Hittn zua.
i fångs glei ån zum Riahn, dass mar an Butta kriagn,
ei da hebt si frisch mei Brust und sing voll Lust. Jodler drauf.
3. In Gotts Nåm stengn ma auf, so is´s bei uns da Brauch,
i gehs zum Vieh sche stad, so üban Ånger hin,
sich i´s die Gamsal stehn, die Hirschal umagehn,
ei da hebt si frisch mei Brust und sing voll Lust. Jodler drauf.
Volksliedarchiv der Volkskultur Niederösterreich. Überspielung der Feldaufnahmen aus den 1970er Jahren von Walter Deutsch. Hamot Trio N/CD 24 /5022. Tonbeispiel
Versucht man, die Almlieder thematisch einzuordnen, so unterscheidet man Standeslieder, Liebeslieder, Wildschützen-, seltener Jägerlieder, eventuell Abschiedslieder, wenn es um das „Hüttnzusperren und Winterfestmachen“ geht und Mischformen.
Ein, wie ich meine schönes Beispiel liefert die Veröffentlichung eines Standesliedes schon bei Franz Ziska und Julius Max Schottky, 1819: „Griaß di God, main liabi Res´l, iaz bin i schon då, geh låß mi nua aini, ai schlåg ma´s nid å!“19 Strophen erzählen von der Arbeit auf der Alm sowie vom Besuch des ständig in Gefahr lebenden Wildschützen, dem von zwölf Jägern und sechs Hunden aufgelauert wird. Es kommt zum Kampf, der Wildschütz siegt und lässt sich das Wildern von den Jägern freigeben.
So erzählt das Lied. In Wahrheit wurden viele Wilderer nicht nur gejagt, sondern mitunter auch erschossen. Pius Walder, Holzfäller und Wilderer, gilt als letzter „Wildschütz“, der 1982 im Alter von 30 Jahren in Osttirol erschossen wurde. (Anmerkung: Die Bauern bekamen 1848 mit der Bauernbefreiung das Jagdrecht.)
Bei vielen Almliedern steht die Liebe im Mittelpunkt.
1. Von der hohen Ålm auf die Niadaålm, von da Niadaålm aufs Tret
und vom Tret zu mein liabn Diandal, üban Ålmasåttel geht da Weg.
2. Und Du kennst jå meine Hittn und Du kennst jå meine Kiah,
aufn Fenster liegt da Schlissl, Bua wånnst einakemma willst zu mir.
Bei diesem Lied lässt die Sennerin den Buam ein.
Im Gegensatz dazu versagt die Sennerin den Besuch im Lied „Die hohe Alm wird a scho grea“. Da heißt es in der zweiten Strophe etwa:
2. Wiar i´s auf die Ålma kimm, då siach i scho d´ Frau Sennerin
und wia i si fråg um a Nåchtquartier, då håt si koan Plåtz g´håbt bei ihr.

Musikalisch spielt der Jodler eine ebenso große Rolle. Vielfach folgt er den Textstrophen, oder aber er steht als klangliches „Kunstwerk“ allein. Auf der Alm klingen die Jodler am schönsten, erzählte mir einmal eine singende Sennerin, die sich immer freute, wenn sangeslustige Menschen bei ihr einkehrten.
Almschreie und Kuhrufe sind einstimmig. Schrei und Rufe dienten der Verständigung über weite Strecken hinweg, mit den Tierlockrufen – wie der Name schon sagt – wird das Vieh zusammengeholt.
Im Herbst – so gegen „Micheli“ Ende September – geht es wieder heimwärts: Der Almabtrieb beendet die Almwirtschaft. Reich geschmückt und mit Kuhglockengeläute ziehen das Vieh und die Almleut´ zurück ins Tal. Man dankt, dass, im besten Fall, alle gesund und ohne Schaden den Sommer auf der Alm gut überstanden haben.
„Da Summa is aus, i muaß åbi ins Tål“, so beginnt das bekannteste Abschiedslied“.

Wenn wir bei den Almliedern nach dem „Sitz im Leben“ fragen, ist dieser nicht auf die Alm als Ort beschränkt. Sie sind keineswegs den auf der Alm Lebenden und Arbeitenden vorbehalten. Vielmehr wurden sie hauptsächlich in geselliger Runde auch im Tal gesungen. Sie halfen über die Wintermonate hinweg und erleichterten das Warten auf den nächsten Frühling und die wiederkehrende Almauffahrt. Apropos: Der Frühling steht in so manchem Lied zur Almauffahrt für den Frühsommer:
„Im Fruahjåhr wånns grean wird, då geht ålls da Heh zua,
bleibt koa Vogerl bei da Niad und koa lustiger Bua“ oder:
„Im Fruahjåhr bei da Niada, då bleibt koa junga Bua,
då nimmt er hålt sei Stutzerl und geht da Ålma zua“.
Das Singen von Almliedern wird speziell bei den Almwandertagen praktiziert. Seit dem Jahr 2000 finden sich am frühen Nachmittag des 15. August sangesfreudige Almgeher beim Niederösterreichischen Almwandertag zum offenen Singen ein. Sehr gerne denke ich an viele Jahre dieser gelungenen musikalischen Begegnungen zurück.
In diesem Jahr führt der 75. Niederösterreichische Almwandertag am 15. August 2025 auf den Königsberg/Siebenhütten (Region Hollenstein an der Ybbs, Göstling an der Ybbs und St. Georgen am Reith).
Und zahlreiche offene Singen bieten sich im ganzen Land innerhalb der Initiative „Singen mit Aussicht“ an: bereits die sechste Auflage und ungebrochen beliebt. Im Büro der Volkskultur Niederösterreich können die Notenausgaben angefordert werden.

Jubiläumsausgabe 2025
Dorli Draxler
Juli 2025