Streifzug

Streifzug zum Brandlhof von Roland Girtler

Als vagabundierender Kulturwissenschafter bin ich in Begleitung lieber Freunde in Radlbrunn, einem Ort der Marktgemeinde Ziersdorf im Bezirk Hollabrunn im Weinviertel unterwegs. Ich will diesen schönen Ort schon seit längerem aufsuchen.  Wir steuern zu Fuß dem Brandlhof zu, der dereinst ein stattlicher Bauernhof war. Er wurde bereits 1209 als Meierhof des Stiftes Lilienfeld in einer Stiftungsurkunde Herzog Leopolds VI. erwähnt.

Hier im Brandlhof treffen wir Besucher, die an der alten bäuerlichen Kultur interessiert sind und wissen wollen, wie die Menschen lebten zu einer Zeit, als Handwerker und kleine Greisslereien (das sind kleine Lebensmittelgeschäfte ) unser Leben bestimmten.

Zu dieser Zeit gehört auch der Meierhof von Radlbrunn, der den interessanten Namen Brandlhof trägt. Als Meier galt der Verwalter einer großen Landwirtschaft als die Bauern einem Grundherrn unterstanden, dem sie regelmäßig Abgaben zu leisten und gewisse Dienste zu verrichten hatten. Vor der Befreiung der Bauern in unserer Gegend, also bis zur Revolution im Jahre 1848, waren sie von einem Grundherrn, meist von einem Grafen oder einem Stift abhängig.

 Zeugnis einer alten Bauernkultur

Im Wort Meierhof steckt das lateinische Wort „villae maiores“, was soviel heißt wie „besserer“ oder „wichtiger“ Bauernhof. Der „Meier“ (bzw. Maier) war also ein angesehener Bauer, der direkt dem Grundherrn unterstand und der dafür sorgte, dass die Bauern ihre Abgaben tätigten.

Anlässlich der Landesausstellung 2005 am Heldenberg wurde der Brandlhof aufwändig revitalisiert und der Volkskultur Niederösterreich zum Betrieb übergeben, die den einstigen Bauernhof zu einem etablierten Kulturhof wandelte, der als Veranstaltungszentrum aber auch als Kompetenzzentrum für die Vermittlung würdiger und sehenswerter Dinge der alten bäuerlichen Handwerke dient. In Kursen werden Handwerkstechniken erlebbar gemacht und diverse Fertigkeiten wie die des Spinnens von Wolle und Flachs vermittelt.

Bei unserem Besuch findet gerade ein von Ernst Ribisch geleiteter Kurs statt, bei dem man sich alter Schnitztechniken und Kinderspiele erinnert. Diese haben sich im Laufe der Zeit wesentlich geändert. Früher wurde das Spielzeug zumeist aus Holz gefertigt, wie hölzerne Pferdchen, oder aus Stofffetzen hergestellt, wie Bälle und Puppen. Unter den jungen Burschen gab es echte Künstler in der Fertigung von aus Holz geschnitzten Pfeiferln.

Die Kunst des Pfeiferlschnitzens

Ein geschnitztes „Pfeiferl“

Wir treffen hier zwei freundliche Herren, die gerade dabei sind, Kindern zu erklären, wie man aus Weidenholz oder aus dem Holz der Haselsträucher Pfeiferln herstellt. Früher verstand es jeder Bub, ein Pfeiferl selbst herzustellen und mit diesen zu pfeifen. Diese selbst geschnitzten Pfeifen erfüllten die Buben mit Stolz. Solche selbst geschnitzten Pfeiferln scheinen auch typisch für die früheren Hirten zu sein, die ständig bei ihren Viehherden blieben und sie begleiteten. Hirten dieser Art gab es früher auch bei uns bis in die 1950er Jahre. Auch ich betätigte mich als Bub auf Wunsch eines Bauern des öfteren als Kuhhirt.

In Rumänien gibt es übrigens heute noch Hirten, die sich alter Schnitztechniken bedienen und mit ihren Hunden sogar Wölfe verjagen. Hirten bei ihren Herden haben Zeit, sie schnitzen ihre Hirtenstäbe und pfeifen auf ihren Pfeifen bisweilen Hirtenlieder. Ein solches Hirtenlied, es stammt wahrscheinlich aus Finnland, bezieht sich ausdrücklich auf ein Weidenpfeiferl.

Es heißt:

„1. Hab mir geschnitzt ein Weidenpfeiflein, nur ein kleines Weidenpfeiflein.

2. Bin ich im Walde, blas ich mein Pfeiflein nur am stillen Abend.

3. Und meiner Herde Glocken läuten nur von ferne.“

Ich wünsche der Volkskultur Niederösterreich und allen Damen und Herren, die hier am Brandlhof tätig sind, das Beste und ziehe weiter.

Roland Girtler

Hier kann man sich für die neuen Handwerkskurse im Brandlhof in Radlbrunn anmelden.