Kindervolkstanz? Was ist das eigentlich?
Jedes Kind kann es, jedes Kind tut es, aber was ist es eigentlich, dieses „Tanzen“? Fragt man den Duden, so ist die Antwort: „Eine Abfolge von Körperbewegungen, die nach einem durch Musik oder eine andere akustische Äußerung, wie Schlagen, Stampfen, oder Ähnliches hervorgebrachten Rhythmus ausgeführt wird.“ Ja, so könnte man es beschreiben, wenn man ein Roboter wäre. Als Mensch könnte man sagen, Tanz ist die Umsetzung von Inspiration in Bewegung. Aber auch das trifft es noch lange nicht. Tanz kann so vieles sein. Ein Ritual, ein Brauch, eine darstellende Kunstgattung, eine Berufstätigkeit, eine Sportart, eine Therapieform oder schlicht ein Gefühlsausdruck. In der Gesellschaft erfüllt das Tanzen so viele Funktionen, dass es praktisch keine Kultur in der Menschheitsgeschichte gibt, oder gab, in der es keine zentrale Rolle spielt. Ritualisiert drückt das Tanzen Zusammengehörigkeit aus, im Paartanz kann es gar das archaische Balzritual auf eine kultivierte Ebene heben und als festlicher Ritus die Aufnahme neuer Mitglieder in eine Gemeinschaft begleiten, Stichwort Debütantinnenball.
Tanzen als Sport geht weit über das Spielerische hinaus, es fördert Muskelaufbau, Motorik, Koordination und Gleichgewichtssinn. Das erfolgreiche Erlernen, Planen und Umsetzen komplexer Bewegungsabläufe bildet Selbstvertrauen und unterstützt ein gesundes Verhältnis zum eigenen Körper. Als Kunstform dient Tanzen dazu, Gefühle und Handlungen bildlich darzustellen. Mimik, Gestik und ganzkörperliche Tanzbewegungen bilden zusammen mit Musik das anspruchsvolle Arbeitsmaterial des künstlerischen Tanzes, der dem Zuschauer Eleganz und Ausdruckskraft des menschlichen Körpers vor Augen führt. Tanzen kann man nicht beschreiben, man muss es erleben, vorzugsweise, indem man es tut.
Denn jede und jeder von uns kann tanzen. Nur das mit dem „sich trauen“ und einfach drauf los tanzen, das haben viele von uns verlernt. Die Kinder meist noch nicht. Einfach hüpfen, wiegen, drehen zur Musik, ohne nachzudenken – wer sich das bis ins Erwachsenenalter erhält, hat die Freude an der Bewegung bis ins hohe Alter – und bewahrt sich im Regelfall auch seine Gesundheit. Tanzen trainiert musikalische und motorische Fähigkeiten, es schafft einen wunderbaren Ausgleich zur heutigen Bewegungsarmut und hilft mit, soziale Fähigkeiten auszubilden und den Umgang untereinander zu üben. Ein Kind, das rückwärtsgehen kann, kann auch leichter Minusrechnen, der Umgang mit anderen Kindern im Kreis wird im Volkstanz spielerisch trainiert. Wo befinde ich mich – wo sind die anderen, wie harmonieren wir, damit ein Kreis entsteht? Reichen wir uns im Volkstanz die Hände zum gemeinsamen Seithüpfen, dann muss auf die Tanzpartnerin oder den Tanzpartner Rücksicht genommen werden. Entstehen Pausen in den Tänzen, so muss man lernen zu warten, bis man an der Reihe ist – eine der größten Herausforderungen vor die man als Kind gestellt werden kann.
Selbst komplexe Volkstänze eignen sich in abgewandelter Form zum Tanzen mit Kindern. Ein konkretes Beispiel ist die Ramsauer Kreuzpolka: Für die Kindergartenkinder ist hier ein Kreis, in dem sich alle an den Händen fassen, in die Tanzrichtung gehen und das Lied dazu singen für den ersten Teil ausreichend und der Text macht großen Spaß. „Hinterm Ofen sitzt er, Schokolade isst er, seiner Muatter gibt a nix, weil a halt a Geizkragn is.“. Im zweiten Teil können die Kleinsten mit den Füßen über Kreuz schwingen und sich einmal im Kreis drehen und schon sind die Jüngsten mittendrin im kulturellen Herzen des Volkstanzes. Darauf aufbauend können bereits Volksschulkinder zu zweit miteinander tanzen, vielleicht sogar schon eine Kreuzhandfassung vorne vollbringen oder die Drehung unter den gefassten Händen. Jugendliche erweitern dies dann schließlich zu dem Walzerrundtanz, der in den traditionellen Aufzeichnungen überliefert wurde.
Wer jetzt Lust bekommen hat, mit seinem Kind in die Welt des Volkstanzes einzutauchen, ist hier richtig. In den Workshops der Volkskultur Niederösterreich gehen wir mit Volkstanzexpert:innen zurück zu unserem inneren Kind und bieten für Anfänger wie Fortgeschrittene die richtige Mischung. Ob musikalische Rhythmen, Schritte oder Bewegungsfolgen trainiert werden, oder man einfach nur zusammen mit den Jüngsten den Tanzboden unsicher macht – die Freude am Erlebten ist ebenso wichtig wie das Festigen der Gemeinschaft.
Christina Strasser